Inhaltsbeschreibung
Weltweit ist ein Kampf im Gange - um den Baum. Äußerlich sind es konkrete Bäume, einzelne oder ganze Wälder. Für die einen sind sie Gegenstand der
Ausbeutung oder gar Störfaktor, für die anderen Lebensgrundlage, Lebensraum und Lebenssymbol. Nicht, dass Menschen sich auch Bäume dienstbar machen dürften.
Entscheidend sind das Verständnis und die Gesinnung, die Einstellung, mit der es geschieht. Und hier scheiden sich die Geister - radikal, „bis zur Wurzel“,
die den Baum in der Erde verankert; diejenige Erde, die der Schauplatz der Menschen- und Menschheitsentwicklung ist.
In der Dokumentation der mehr als fünfzig Jahre währenden Forschungsarbeit von Hans Preuße (1918-1991) wird ein Zugang zum Baumwesen, zur in ihm
repräsentierten Lebenswelt erschlossen, der in dieser Form bisher wohl kaum versucht worden ist. Exakte Naturbeobachtung, ebenso exakte Darstellung,
künstlerische Imagination und Fachwissen gehen hier eine äußerst fruchtbare Verbindung ein, welche nicht nur die Wissenschaft bereichert,
sondern darüber hinaus den Blick ermöglicht auf die geistige Realität des uralten und zugleich auch tief christlichen Motivs des Lebensbaumes,
zu welchem jeder Mensch seinen bewussten Zugang finden muss.
Die Darstellung führt den Betrachter auf 57 Tafeln mit Zeichnungen und Texten von der Baumgestalt in verschiedenen Lebensphasen über die
Ausformung der Krone in den Gerüstästen, der Seitenverzweigung und im Fruchtholz hin zur zentralen Frage, welche Faktoren denn eigentlich
die Gestalt formen. Sind es die genetischen Vorgaben, die Nährstoffe, die "Umweltfaktoren"? - Eine Frage, die nicht nur den Förster oder den
Obstbauer interessiert. Es erweist sich das Licht in seinen verschiedenen Erscheinungsformen - von der Helligkeit bis hin zur Holzbildung -
als die in jeder Hinsicht Struktur bildende Kraft. Damit werden wir auf eine Gesamtheit von Lebenskräften aufmerksam, aus der wir alle tagtäglich
schöpfen, die uns gewissermaßen vor Augen liegt in ihren Wirkungen, die wir aber für gewöhnlich nicht wirklich realisieren und ernst nehmen.
Schritt für Schritt führt der Autor von der sinnlichen Erscheinung des Baumes zu dieser Lebenskräfte-Sphäre. Ebenso konsequent führt die
Darstellung zur Idee des Baumes, zu dem uralten Motiv des Welten- oder Lebensbaumes, und erstmals wird hier ganz aus der Naturbetrachtung
heraus der innere Zusammenhang aufgezeigt, der zwischen dem konkreten Einzelbaum und dem Weltenbaum besteht.
Mit seiner Darstellung steht Hans Preuße in einem gewaltigen Ideenbildungsprozess, dessen Impuls in neuerer Zeit am markantesten durch
Goethes Arbeiten zur Morphologie, insbesondere durch "Die Metamorphose der Pflanzen" bezeichnet ist: nichts Geringeres als der Beginn einer
Wissenschaft vom Leben. Auf seinem naturwissenschaftlichen Werk fußt in weiterer Folge die Anthroposophie Rudolf Steiners. Dieser hat diese
Ideenbildung nicht nur weiter geführt, sondern auch bis in die Praxis hinein fruchtbar gemacht (u. a. in der "biologisch-dynamischen" Landwirtschaft).
Beide standen auch für die hier dokumentierte und ergänzte Forschungsarbeit Pate.
Da Hans Preuße seine Arbeit nicht abschließen konnte und sie lückenhaft blieb, war es zunächst nicht möglich, sie der Öffentlichkeit zugänglich
zu machen. Sie bedurfte der Ergänzung im Verfolgen der Intention. Diese Aufgabe wurde von Georg Buß angenommen und durchgeführt. Er verdeutlicht den
Ideenzusammenhang unter anderem durch die Einbeziehung der Kambiumphysiologie und von weiteren Arbeiten Preußes. So liegt äußerlich eine erweiterte
Werkdokumentation von Hans Preuße vor, inhaltlich aber ein Weg, dem Baum mit tieferem Verständnis gegenüber zu treten und mit ihm in ein
lebendiges Verhältnis zu kommen.
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Hans Hermann Arno Preuße
(5.11.1918 - 29.09.1991, Dresden)
War als Gebrauchsgrafiker ausgebildet und als Künstler tätig. Hat etliche Bücher, u. a. zur Landwirtschaft und Baumpflege illustriert und
mit herausgegeben. Sein besonderes Interesse, sein innerer Forschungsauftrag galt von klein auf den Bäumen, die er mit goetheanistischem
Blick fürs Ganze ein Leben lang studierte.
Selbstportrait Hans Preuße,
18.09.1972
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